2. Im Takt der Jahreszeiten

Mit Rücksicht auf den Entwicklungsstand der Tagespflegekinder und den Forderungen des Sächsischen Bildungsplans habe ich ein Konzept entwickelt, dass das Jahr in zwei Phasen teilt:

Das aufsteigende Jahr. Die Tage werden länger. Die Natur erwacht. Das Licht nimmt zu. Mit der Wärme öffnen sich Lebensräume unter freiem Himmel.

Das absteigende Jahr. Die Tage werden kürzer. Natur geht schlafen. Der Mensch zieht sich in geschlossene Räume zurück und sehnt sich nach Wärme.

 

Zu 1. Das aufsteigende Jahr

Gleich mit Beginn eines neuen Jahres erlebt die westliche Welt die Dunkelheit ganz neu. Vorbei ist die Zeit der Weihnachtslichter. Doch ähnlich wie im buddhistischen Lebensrad bewegen sich meine Tageskinder mit mir nun dem aufsteigenden Leben entgegen. Dazu haben wir im westlichen Europa zunächst viel Zeit.

Am Anfang ist das Dunkel

Zur Jahreswende wird es immer noch um 16.00 Uhr dunkel. Zeit für Kerzenschein und „Indoor-Tätigkeiten“.

Karneval – der Tiere

In der Bewegung findet das Kleinkind größtmögliche Entfaltung und es „steigt“ in seiner Entwicklung immerzu empor. Wenn schon in Räumen toben, dann mit Fantasie und Idee. Zeit bewegt sich Richtung Frühlingserwachen, das in unseren und vielen anderen Kulturkreisen mit dem Karneval gefeiert wird. Die „bösen Geister“ der Dunkelheit sollen weichen. Die Tiere und die Natur folgen dem aufgehenden Jahr und es steht der Zeit der Reproduktion bevor.

Leben entdecken. Bereits im Januar entdecken wir Frühblüher wie Hamamelis oder die Christrose. Im Februar erwacht der Krokus, gefolgt vom Schneeglöckchen. Aufmerksam beobachten wir die Natur – Pflanzen und Tiere – die sich zwischen Schnee und Eis aus dem Schlaf windet. Zur somatischen Bildung gehört unbedingt das tägliche Freispiel und der Spaziergang an der frischen Luft. Wind und Wetter schränken nur die Dauer der Zeit ein. Bei Starkregen beschränken wir uns auf einen Spaziergang, an warmen Tagen verbringen wir auch oft den gesamten Tag an der frischen Luft und kommen nach der Frühstückszeremonie und dem kleinen Freispiel nur zum Mittagsschlaf in geschlossenen Räumen. Ganz im Sommer findet die gesamte Tagespflege im Freien statt.

 

Zu 2. Das absteigende Jahr

Die Sommersonnenwende begehen wir mit einem kleinen Fest. Johannis ist am 21. Juni, da leben wir noch im Tagesablauf der sommerlichen Freiluftkultur, beobachten Tiere und Pflanzen im Themenschwerpunkt „Ei“.

Ab Mitte September werden Tage ungemütlicher. Morgens liegt Raureif auf dem Rasen. Vögel ziehen gen Süden. Erntezeit steht an. Der Jahreszeitentisch ist mit Maiskolben, Nüssen und Hagebutten, Äpfeln und Trauben dekoriert und eine Kerze erfreut durch ihren ruhigen, hellen Schein. Auf Ausflügen suchen wir Früchte, sammeln Kastanien und Eicheln, die später als „Spielzeug“ in den Kästen liegen. Wir besingen den Herbst mit Liedern und fädeln aus Hagebutten und Kastanien Ketten, sammeln bunte Blätter und stimmen uns auf kalte Zeiten ein. Wir bleiben öfter im Haus.

Kinder tragen jetzt häufig Halstücher und dicke Mützen, die Jacken und die Schuhe wechseln. Gummistiefel bleiben in der Tagesstätte, damit wir an wärmeren Tagen auch mal durch Pfützen stapfen. Mit zunehmender Dunkelheit werden die Kerzenlichter mehr. Laternen aus Kürbis oder aus Pappe erfreuen das Gemüt.

Mit zunehmender Kälte kommen „warme“ Materialien auf den Tisch: Tuch, Wolle, Stift und Pinsel.

Wir backen Brot mit Obst und Gemüse.

Roh- und Märchenwolle steht bereit und wird verfilzt.

Fensterbilder aus Pappe und Seidenpapier sorgen für schöne Stimmung und ganz allmählich nähern wir uns dem Weihnachtsfest.

Während ich dem Nikolaus und dem Weihnachtsmann recht wenig Aufmerksamkeit schenke – zwar ein paar der Gesellen aus bunter Pappe durch den Raum schweben lasse – organisieren wir über den Stützpunkt eine Weihnachtsfeier für alle Stützpunkttagesmütter, Eltern und Kinder – inzwischen in einem Saal im Georg-Palitzsch-Haus in Prohlis. Musiklehrerin Olga hat ein paar weihnachtliche Lieder mit den Kleinen eingeübt, die wir hier zum Besten geben, um bei Kaffee und Kuchen, Glühwein und Heringssalat einen schönen Jahresabschluss mit Eltern, Großeltern und Kindern zu feiern.

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